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Ohne Schulden geht es nicht

23. Karlsruher Verfassungsgespräch diskutiert über "Gute Schulden, schlechte Schulden - wie sinnvoll ist die schwarze Null"

23. Karlsruher Verfassungsgespräch © Stadt Karlsruhe, Presse- und Informationsamt, Monika Müller-Gmelin

Die Mehrheit der Deutschen befürwortet das Einhalten der Schuldenbremse. Keine Schulden machen, für schlechte Zeiten sparen und in die Zukunft investieren, das ist das Dilemma, das das 23. Karlsruher Verfassungsgespräch unter dem Titel „Guten Schulden, schlechte Schulden – wie sinnvoll ist die schwarze Null?“ am vergangenen Montag im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigt hat.

"Es greift zu kurz, überhaupt keine Schulden zu machen", so Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup in seinem Grußwort. Dabei verwies er auf die Haushaltskonsolidierung der Stadt Karlsruhe, bei der die Aufnahme von Schulden mit eingeplant sei. Schulden seien nicht für kurzfristige Ziele geeignet, sondern dafür, lang andauernde Werte zu schaffen, so Mentrup weiter.

Prof. Dr. Stephan Harbarth (Präsident des Bundesverfassungsgerichts) beim 23. Karlsruher Verfassungsgespräch.
Dr. Frank Mentrup (Oberbürgermeister Stadt Karlsruhe) beim 23. Karlsruher Verfassungsgespräch.
Prof. Dr. Georg Milbradt (Fakultät Wirtschaftswissenschaften, TU Dresden, Sächsischer Ministerpräsident a.D.) und Jörg Schönenborn (WDR-Programmdirektor)  beim 23. Karlsruher Verfassungsgespräch.
Prof. Dr. Georg Milbradt (Fakultät Wirtschaftswissenschaften, TU Dresden, Sächsischer Ministerpräsident a.D.) beim 23. Karlsruher Verfassungsgespräch.
Jörg Schönenborn (WDR-Programmdirektor) und Friederike Spiecker (Volkswirtin und Wirtschaftspublizistin) beim 23. Karlsruher Verfassungsgespräch.
23. Karlsruher Verfassungsgespräch
Ole Nymoen (Podcaster und Autor) beim 23. Karlsruher Verfassungsgespräch.
23. Karlsruher Verfassungsgespräch

Gute Schulden, schlechte Schulden

Schlechte Schulden entstünden für „konsumtive Ausgaben“ – also die Ausgaben, die nur einen kurzfristigen Nutzen haben, erläuterte auch Prof. Dr. Georg Milbradt (TU Dresden). Gute Schulden seien hingegen solche, um etwa die Gesellschaft in Krisen zu stabilisieren, so geschehen in der Finanzkrise, der Pandemie und nun der Energiekrise. „Was im Krisenmodus richtig war, kann kein Dauerzustand zu sein“, betonte Prof. Dr. Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. In der nächsten Krise müsse man wieder aus den Vollen schöpfen können. Das ginge nur, weil in den vergangenen sieben Jahren die schwarze Null erreicht wurde und Deutschlands Schuldenquote von rund 80 Prozent (2010) auf knapp 60 Prozent (2019) sank. Der aktuelle Schuldenberg beträgt rund 2,3 Billionen Euro - davon 800 Milliarden Euro allein in den vergangenen drei Jahren, erinnerte bereits Prof. Stephan Harbarth, Präsident des Bundesverfassungsgerichts und Schirmherr der Veranstaltung in seinem Grußwort.  „Die Situation ist nicht gut, klingt aber bedrohlicher als sie ist“, ordnet Werding im Laufe der Diskussion ein. Beim Staat gebe es einen Unterschied zu den Privathaushalten“, merkt Ole Nymoen, Podcaster und Autor, an. „Der Staat ist derjenige, der den Euro stiftet“. Das Gelddrucken der EZB habe geholfen, eine Krise abzuwenden. Deutschland nehme weiter Schulden auf, man versuche dies nur zu kaschieren, wie etwa durch das Sondervermögen. Den Geldhahn jetzt zuzudrehen sei verfrüht. „Investieren und sparen ist unmöglich“, so Nymoen.

"Man versteckt das Nehmen.", ergänzt Milbradt und forderte die Politik dazu auf, Schulden über Steuererhöhungen zu finanzieren und nicht schleichend über die Inflation. Die Inflation senke zwar Schulden - aber eben auch Vermögen, verwies Mibrandt auf alle, die eine Riester-Rente abgeschlossen haben und nach Aussagen Milbradts weniger herausbekommen als sie eingezahlt haben. Steuererhöhungen kritisierte hingegen der Podcaster Nymoen, so etwa die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die vor allem die kleinen Leute getroffen haben.

 

Ausland übernimmt Schuldnerrolle

„Das Ausland ist bei uns verschuldet, sonst wären wir in einer tiefen Rezession“, gibt die Volkswirtin Friederike Spiecker zu bedenken. Die Ersparnisse des einen, sind in einer Volkswirtschaft die Schulden des anderen. So in den 1970er Jahren als die deutschen Privathaushalte gespart hätten und die Unternehmen die Ersparnisse mit ihren Investitionen und damit ihrer Verschuldung „aufgesaugt“ hätten, erläutert die Volkswirtin. In den 1990er Jahren hätten dann auch die Unternehmen gespart. „Wenn beide sparen, führe dies eigentlich zu einer Rezession“, erklärte Spiecker und ergänzte, dass das Ausland uns die Schuldnerrolle abnehme. Dieser Überschuss führe aber zur Verschuldung dieser Länder. Daher müsse man den Blick weiten, erklärte Spiecker abschließend auf Schönenborns Schlussrunde, in der er die Teilnehmenden um einen Blick nach vorne bat. Sachsens ehermaliger Ministerpräsident Milbradt sieht eine Zeit "die nicht durch Wohlstand gekennzeichnet sein wird". Man müsse Wohlstandsverluste hinnehmen und in den Haushalten neue Prioritäten setzen. Ole Nymoen blicke gar mit Angst in die Zukunft. Professor Werding sagte, er halte jährliche Investitionen in den kommenden Jahren in dreistelliger Milliardenhöhe für nötig.

Eine Zusammenfassung des Gesprächs wird am kommenden Sonntag um 12 Uhr im Fernsehprogramm von phoenix ausgestrahlt. -has-

Das 23. Karlsruher Verfassungsgespräch fand erneut im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts statt.
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Karlsruher Verfassungsgespräche

Die Karlsruher Verfassungsgespräche finden jährlich am 22. Mai, dem Vorabend der Verkündigung des Grundgesetzes, im Bundesverfassungsgericht statt. Sie tragen dazu bei, Karlsruhe als Stadt des Rechts sichtbar zu machen. Hierfür gibt es jährlich eine Podiumsdiskussion mit wechselnden Themen und Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

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