Vorläufige Empfehlungen für drei Grundprinzipien erarbeitet
Platz für mehr gesunde Mobilität und gute Erreichbarkeit, Platz für mehr Grün und Platz für mehr öffentliches Leben - diese drei Grundprinzipien standen im Mittelpunkt eines Online-Workshops, den das Stadtplanungsamt vor kurzem als Schlusspunkt der Öffentlichkeitsarbeit in diesem Jahr zum IQ-Leitprojekt „Öffentlicher Raum und Mobilität Innenstadt“ (ÖRMI) veranstaltet hatte. Mit dabei waren unter anderem Vertreterinnen und Vertreter der Bürgervereine, verschiedener sozialer Gruppen, von Verkehrsdienstleistern und Verkehrsverbänden sowie aus Wirtschaft, Umwelt, Kultur und Wissenschaft.
Ihnen stellte die beauftragte Bürogemeinschaft um das Büro Gehl Architects aus Kopenhagen das erste Grobkonzept zum Öffentlichen Raum und der Mobilität in der Innenstadt vor. Dieses basiert auf der Analyse und den Ergebnissen der bereits durchgeführten Beteiligungsformate. Anschließend wurde eine Reihe von vorläufigen Empfehlungen und Pläne der Bürogemeinschaft anhand der drei Grundprinzipien gemeinsam diskutiert.
Beim Thema Platz für mehr gesunde Mobilität und gute Erreichbarkeit war ein Vorschlag, den Parkraum für Kraftfahrzeuge zu reorganisieren und Platz für andere Nutzungen zu schaffen. Stadtlogistik und Anlieferungen sollen neu und integriert gedacht werden. Der Grad der "Autofreiheit" ist je nach Lage differenziert zu betrachten. Konflikte zwischen den Verkehrsträgern werden durch Priorisierung der Verkehrsnetze reduziert.
Platz für mehr Grün soll es geben, indem die Innenstadt von statt grau und versiegelt sich künftig grün und lebendig präsentiert. Hierfür sind grüne Verbindungen mit der Umgebung für mehr Durchlässigkeit und Durchlüftung zu schaffen, das Mikroklima zu verbessern und mehr Biodiversität und Vielfalt an Grün zu ermöglichen
Um Platz für mehr öffentliches Leben zu erhalten, sollen die Quartiere gestärkt und neu gedacht werden. Mobilitäts- und Freiraumkonzepte sind in jedem Quartier ortsspezifisch zu verankern. Öffentliche Räumen müssen aufgewertet werden, wobei hier jeder Quadratmeter zählt. Erforderlich sind mehr Möglichkeiten zum Verweilen, bedarf es eines ausgewogenen Verhältnisses von kommerziellen und nicht kommerziellen Angeboten. Das Leben muss sichtbar werden, etwa durch mehr Kultur im öffentlichen Raum und Belebung der Erdgeschosszonen. Besonders im Fokus stehen Kinder und Jugendliche im Fokus, welchen man mehr Einladungen zum Spielen bieten muss.
Spezifische Anforderungen und Wünsche formuliert
Bei der lebhaften Diskussion dieser Punkte im Kolloquium formulierten die Teilnehmenden je nach fachlichem Hintergrund und Betroffenheit spezifische Anforderungen und Wünsche an die Innenstadt, wie beispielsweise eine intelligente Kombination von Logistik und öffentlichem Leben oder barrierefreie Begegnungsräume. Die überwiegenden Wünsche an eine Innenstadt der Zukunft orientierten sich jedoch an Aufenthaltsqualität und Wohlfühlen, Trennung von Rad- und Fußverkehr zur Konfliktvermeidung sowie besseres Miteinander und Vielfalt. Besonders häufig wünschten sich Teilnehmende mehr Schatten und Grün. Der Wunsch eines Teilnehmenden nach „magischen Orten und Nischen für Überraschungen“ berührte das Thema „Innenstadt als Erlebnisraum“, welches künftig stärker in den Fokus rücken wird.
Der Austausch verschiedener Perspektiven und Argumente zum Thema Mobilität zeigte, dass es je nach Betroffenheit diverse Bedarfe, Visionen und Nutzungswünsche für die Innenstadt gibt. Gemeinsamkeiten in der Diskussion lagen in der Forderung nach der Erreichbarkeit der Innenstadt für alle. Dennoch gab es auch den Wunsch nach einem Prioritätennetz, welches das Fahrradfahren und Zufußgehen vielerorts in der Innenstadt priorisiert, ohne den Kraftfahrzeugverkehr per se zu verbannen. Dieses Gleichgewicht in der Priorisierung zu schaffen ist – auch hier war sich die Diskussionsrunde einig – herausfordernd. Dennoch lohne sich ein visionäres Umdenken in der Stadtplanung zugunsten neuer Nutzungen und Qualitäten. Sowohl der Einzelhandel als auch die Gastronomie leide unter motorisiertem Verkehr und profitiere von mehr Aufenthaltsqualität.
Platzbedarf für mehr Grün
In der Diskussion über Grünflächen in der Innenstadt wurde deutlich, dass der Wunsch nach mehr Grün und Schatten für die Innenstadt auch mit einem Platzbedarf einhergeht. Neben Aufenthaltsinseln sollten auch die wichtigen Rad- und Fußverbindungen grüner und attraktiver gestaltet werden. In diesem Zusammenhang wurde der Wunsch nach mehr Rücksichtnahme und pfleglichem Umgang mit den öffentlichen Grünflächen geäußert. Auch die Rolle von Wasser und den Brunnen der Innenstadt wurde hervorgehoben.
Ein wichtiger Punkt im Themenbereich Leben war das Miteinander der verschiedenen Akteurinnen und Akteure in der Innenstadt. Die Herausforderung sei es, Gastronomie, Handel, Kultur und Wohnen miteinander zu vereinen und ein Zusammenwirken zu ermöglichen. Ein Teilnehmer wies darauf hin, dass durch die Aufwertungen und Maßnahmen einzelner Bereiche keine Verdrängung folgen dürfe. Beispielsweise sollten durch die Umlagerung oder Umlenkung des Kraftfahrzeugverkehrs andere Wohnviertel nicht an Qualität verlieren. Andere forderten mehr Platz für Experimente und Kultur und eine vereinfachte Umwidmung von Parkflächen, um diese bei Bedarf multifunktional nutzbar zu machen. Bei der Forderung nach alternativen Nutzungen müsse man aber auch die finanzielle Kulturförderung mitdenken.
Die Hinweise und Anregungen der geladenen Expertinnen und Experten werden nun ausgewertet und daraufhin geprüft, ob und wie sie in die Konzeption eingebracht werden können beziehungsweise welche Anforderungen aus den Beiträgen für das Konzept resultieren. Im Frühjahr und Sommer 2022 sollen zwei Reallabore im öffentlichen Raum stattfinden, um die vorgeschlagenen Maßnahmen zu erproben. Im Herbst 2022 wird das Konzept „Öffentlicher Raum und Mobilität Innenstadt“ im Gemeinderat beraten.