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Versorgung von Geflüchteten: In Gemeinschaft ankommen

Zentrale Unterkunft für vorläufige Inobhutnahme von unbegleiteten Minderjährigen

Aufenthaltsräume wie dieser sind für die Jugendlichen wichtig: Entspannung, aber auch Austausch sind hier möglich. Aufenthaltsräume wie dieser sind für die Jugendlichen wichtig: Entspannung, aber auch Austausch sind hier möglich. © Stadt Karlsruhe, Presse- und Informationsamt

Seit 1990 ist Karlsruhe Standort der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Baden-Württemberg. Damit ist die Fächerstadt eine zentrale Drehscheibe für Geflüchtete. Nach teils jahrelanger Flucht erreichen auch immer mehr unbegleitete Kinder und Jugendliche Karlsruhe. Von zwei Jugendhilfeträgern (zefie und ITL Karlsruhe) betrieben, bietet seit Juni eine neue Unterkunft in der Ebertstraße insgesamt 34 Plätze für die vorläufige Inobhutnahme geflüchteter Minderjähriger.

Karlsruhe als Drehscheibe

„In Gemeinschaft ankommen“, das sei das Ziel der Unterbringung, betonte Jonas Nees. Der Leiter des Fachbereichs Jugendhilfe und Soziale Dienste der städtischen Sozial- und Jugendbehörde erläuterte beim Pressetermin vor Ort die besondere Situation, denn durch die gebotene Weitervermittlung an andere Jugendämter in Baden-Württemberg bleiben die Bewohner – alle männlich und über 15 Jahre alt – meist nicht länger als fünf Wochen in der Ebertstraße. Die pädagogischen Fachkräfte müssen daher stets den Balanceakt zwischen enger Betreuung und nötiger Distanz wahren, um den jungen Menschen den Abschied nicht zu schwer zu machen. Dennoch bietet die vorläufige Inobhutnahme mehr als nur ein vorübergehendes Dach: Neben medizinischen Untersuchungen und Vorstellung bei der Ausländerbehörde stehen auch Schulunterricht in Vorbereitungsklassen, gemeinsames Essen und Fußballspielen auf dem Programm.

Monika Wiss-Freesemann
(Geschäftsführerin zefie), Simon Kern (Bereichsleiter Inobhutnahme zefie), Jonas Nees (Leiter des Fachbereichs Jugendhilfe und Soziale Dienste, SJB), Sandra Rastätter (SJB), Atila Erginos und Tugce Zipperer (beide Geschäftsführung ITL Karlsruhe).

Die Arbeit verlange den Pädagoginnen und Pädagogen viel Fingerspitzengefühl ab, berichtet Atila Erginos. „Wie viel Druck darf ich aufbauen, wie viel Freiraum muss ich lassen“, das sei abzuschätzen, so der ITL-Geschäftsführer. Doch für eine solche 1:1-Betreuung braucht es ausreichend qualifiziertes Personal, das mit der besonderen Situation der Jugendlichen vertraut ist, denn mit der Ankunft in Deutschland verschwinden die traumatisierenden Flucht- und Gewalterfahrungen nicht. Der grundsätzliche Mangel an Therapieplätzen sowie Terminen für die psychologische Behandlung verstärke das Problem daher weiter.

Fachkräftemangel deutlich spürbar

Der Fachkräftemangel sei daher in der stationären Kinder- und Jugendarbeit ein großes Problem, wie Jonas Nees ausführt. „Integration ist immer eine Frage der Geschwindigkeit“, jeder Monat ohne Bleibeperspektive und Zugehörigkeitsgefühl sei schädlich. Es brauche daher vor allem ein gutes "Willkommenssystem", denn für viele geflüchtete Minderjährige ist die Inobhutnahme der erste "offizielle" Kontakt mit deutschen Behörden. Von Vorbehalten, Ängsten und erstem Misstrauen kann auch Simon Kern berichten. Für den Bereichsleiter des Trägers zefie mache dies umso mehr die Wichtigkeit geschulter Pädagoginnen und Pädagogen deutlich.

Dennoch – mehr als 90 Prozent der „Ehemaligen“ der Inobhutnahme haben eine abgeschlossene Schulausbildung oder Berufsausbildung, einige haben bereits Familien gegründet und mancher hilft nun als pädagogische Fachkraft in der vorläufigen Inobhutnahme.„Nahezu alle sind gewillt, sich hier eine Zukunft aufzubauen“, berichtet Nees – aber dazu brauche es Ressourcen, nicht zuletzt in Form geschulter Kolleginnen und Kollegen..

Dynamische Fallzahlensteigerung stellt große Herausforderung dar

Im Jahr 2022 kamen neben der Ukraine (5,11%) die meisten unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten aus Afghanistan (41,33%), Syrien (16,57%) und der Türkei (Kurden; 8,77%). Ihr Fluchtweg war überwiegend von der Türkei über Bulgarien, Serbien, Ungarn, Slowakei, Tschechien oder von der Türkei über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn, Slowakei, Tschechien nach Deutschland. Der Landweg ist damit die derzeit meistgenutzte Fluchtroute.

2022 nahm die Stadt Karlsruhe 321 unbegleitete geflüchtete Minderjährige (davon 296 männlich, 25 weiblich) vorläufig in Obhut. Hiervon verblieben 39 (davon 32 männlich, 7 weiblich) in der Stadt. Zum 31. Dezember 2022 waren in Karlsruhe 122 geflüchtete Kinder und Jugendliche (29 davon weiblich) mit längerfristiger Perspektive untergebracht. Darunter können sich auch Personen bis zum 21. Lebensjahr befinden, wenn Hilfen für junge Volljährige gewährt werden.

Im ersten Halbjahr 2023 hat es im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum erneut eine deutliche Steigerung der eingereisten Jugendlichen gegeben. So wurden etwa doppelt so viele Altersschätzungen vorgenommen und es mussten 40 Prozent mehr Jugendliche vorläufig in Obhut genommen werden. Diese Dynamik stellt eine große Herausforderung in der Versorgung dar.

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