17./18. Jahrhundert: Barocke Hofmusik
Informationen über die Musik am Hof gibt es erst ab dem Wiederaufblühen des kulturellen Lebens nach dem Dreißigjährigen Krieg. Berichtet wird von seltenen Opernaufführungen und der Anwesenheit französischer Tanzmeister. Finanzielle Beschränkungen, Kriege und glückliche Erbschaften prägten nach der Gründung von Karlsruhe im Jahr 1715 das Musikleben der neuen Stadt.
Immer noch stand der kleine Hof im Mittelpunkt. In den ersten Jahren wurden regelmäßig Opern aufgeführt: Eine Karlsruher Besonderheit war, dass von einheimischen Komponisten vertonte deutsche Opern gegeben wurden - an den anderen Höfen dominierte italienisches und französisches Musiktheater. Die einzige aus der Gründungszeit Karlsruhes erhaltene Oper ist Casimir Schweitzelsbergs 1715 aufgeführte Romanische Lucretia. Aus Kostengründen wurden keine ausländischen Sängerinnen und Sänger, vor allem keine Kastraten, engagiert. Eine spezifisch Karlsruher Einrichtung war ein Chor von etwa 70 Mädchen. Die Hofkapelle war, je nach Kriegs- und Finanzlage, mit bis zu 40 Musikern besetzt. In mageren Zeiten beschränkte man sich auf Kammermusik, in glücklicheren Zeiten hatte die Hofkapelle neben der Kirchenmusik, der Tafelmusik und den Balletten die Aufgabe, reisende Schauspielertruppen bei der Aufführung von Singspielen zu begleiten. Mit dem Aussterben der Baden-Badener Linie im Jahr 1777 fiel die Rastatter Hofkapelle an Baden-Durlach, eine weitere Bereicherung des Ensembles folgte der Auflösung der Bruchsaler fürstbischöflich speyrischen Musikkapelle im Jahr 1803. Herausragende Kapellmeister und Komponisten des 18. Jahrhunderts waren Johann Melchior Molter (1696 bis 1765) und Joseph Aloys Schmittbaur (1718 bis 1809).
19./20. Jahrhundert: Das Hoftheater wird Badisches Staatstheater
1806 entstand das Großherzogtum Baden: Geschicktes Paktieren und ebenso geschickte Heiratspolitik hatten zur Folge gehabt, dass das Land Baden sich um ein Dreifaches vergrößerte. Das bedeutete nicht nur einen Zuwachs an Landeskindern, sondern auch an finanziellen Mitteln, dem ein Aufblühen des Musiklebens folgte. Weitere Schubkraft kam vom sich emanzipierenden Bürgertum, das die Theater und Konzertsäle gleichsam stürmte. Das von Friedrich Weinbrenner gebaute und 1810 eröffnete Hoftheater fasste rund 1.800 Besucher - und das bei etwa 11.000 Karlsruher Einwohnern.
Zwischen Klassik und Romantik changiert das schöpferische Werk des aus Bruchsal übernommenen Karlsruher Musikdirektors Johann Evangelist Brandl (1760 bis 1837). Eine glücklichere Hand als Brandl bei der Orchesterleitung hatte Franz Danzi (1763 bis 1826), der Carl Maria von Webers Opern kurz nach der Uraufführung in Karlsruhe herausbrachte. Josef Strauß (1793 bis 1866) begründete im Zusammenwirken mit dem ersten bürgerlichen Generalintendanten des Hoftheaters, Eduard Devrient (1801 bis 1877), in den 1850er Jahren die Karlsruher Wagnertradition. Äußerer Anlass für die von Devrient durchgeführte Bühnenreform war der Theaterbrand von 1847 gewesen, bei dem 65 Stehplatz-Besucherinnen und -Besucher ums Leben gekommen waren; 1853 wurde der Neubau Heinrich Hübschs fertiggestellt.
Der namhafte Wagner-Dirigent Hermann Levi (1839 bis 1900) war mit Johannes Brahms befreundet, zahlreiche Werke des Komponisten wurden in Karlsruhe ausprobiert und uraufgeführt, so 1876 seine Erste Sinfonie unter Felix Otto Dessoff (1835 bis 1892). Die Zeit Felix Mottls (1856 bis 1911), der von 1880 bis 1903 die musikalischen Geschicke leitete, war der Höhepunkt des Hoftheaters. Er erarbeitete Karlsruhe nicht nur den Ruf, ein Klein-Bayreuth zu sein, auch Berlioz- und Bruckner-Aufführungen festigten sein internationales Renommee.
Nach der Abdankung Großherzog Friedrichs II. wurde das großherzogliche Hoftheater zum Badischen Landestheater. Seit 1933 ist es das Badische Staatstheater, das Orchester nennt sich seither Badische Staatskapelle. Herausragende Generalmusikdirektoren waren Joseph Krips (1902 bis 1974), Joseph Keilberth (1908 bis 1968), Otto Matzerath (1914 bis 1963) und in jüngerer Zeit Kazushi Ono, Anthony Bramall und Justin Brown.
1975 wurde das neue Staatstheater am Ettlinger Tor eröffnet. 1978 als Händel-Tage gegründet, bieten die 1985 umbenannten Händel-Festspiele ein Programm mit Werken des Hallenser Meisters und seiner Zeitgenossen. Seit 1856 gibt es regelmäßige Sinfoniekonzerte der Karlsruher Hofkapelle beziehungsweise der Badischen Staatskapelle; Kammerkonzerte und ein Zyklus von Konzerten zeitgenössischer Musik ergänzen das breit gefächerte Angebot des Badischen Staatstheaters, das Opern-, Operetten-, Ballett- und Theateraufführungen umfasst.
Das Badische Staatstheater von oben mit Grünfläche © Stadt Karlsruhe, Monika Müller-Gmelin
Zeitgenössische Musik
Karlsruhe ist auch eine Stadt der Neuen Musik. Das Zentrum für Kunst und Medien veranstaltet regelmäßig Konzerte und Festivals mit elektronischer und akusmatischer Musik. Seit 2013 findet in jedem Herbst das Festival ZeitGenuss statt, das von der Hochschule für Musik und der Stadt Karlsruhe durchgeführt wird. Mit Wolfgang Rihm lebt und lehrt einer der bedeutendsten Komponisten unserer Tage in Karlsruhe. An der Hochschule für Musik Karlsruhe können Studierende seit 2012 den Master für zeitgenössische Musik erwerben.
Zentrum für Kunst und Medien © Stadt Karlsruhe, Monika Müller-Gmelin
Musik- und Gesangsvereinigungen
Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert der Musik- und Sängerfeste. 1853 fand in Karlsruhe das erste instrumentale Musikfest Süddeutschlands statt, bei dem auch Franz Liszt dirigierte. Musik- und Gesangsvereine wurden gegründet, allen voran die Männerchöre Liedertafel (1840), Liederkranz (1841) und Liederhalle (1842). Auch die eher bescheidene Pflege der Kirchenmusik, die im 18. und frühen 19. Jahrhundert eng mit der Hofmusik verbunden war, nahm durch Chorvereinigungen einen Aufschwung. Neben den großen Chören wie dem Bachchor und dem Oratorienchor tragen in unseren Tagen einige klein besetzte Chöre der historischen Aufführungspraxis Rechnung: Zu nennen sind hier der CoroPiccolo der Evangelischen Stadtkirche und der Kammerchor der Christuskirche. Weitere leistungsfähige Kantoreien mit großem Repertoire bestehen an der katholischen Hauptkirche St. Stephan, an der Christuskirche und an der Evangelischen Stadtkirche Durlach. 1980 wurde das Studio Vocale als semiprofessioneller Kammerchor gegründet. In den letzten Dekaden finden immer mehr kleine und mittlere Chöre mit stilistisch unterschiedlichsten Programmen zwischen Religiösem, Jazz und Unterhaltung ihr Publikum. Die Chorschulen Cantus juvenum der Evangelischen Stadtkirche und der Christuskirche und die Lutherana an der Lutherkirche leisten Hervorragendes in der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen.
Musikalische Bildungseinrichtungen
1884 gründete Heinrich Ordenstein das Großherzogliche Konservatorium, das heutige Badische Konservatorium. 1929 wurden die Oberklassen zur staatlich anerkannten Hochschule für Musik, der ersten in Baden, erhoben, 1971 wurde die Musikhochschule staatlich. In den letzten Jahren erweiterten der Modellstudiengang Lernradio und das Institut für Musiktheater das Ausbildungsspektrum, 2012 wurde der Studiengang zeitgenössische Musik eingerichtet. Am Karlsruher Institut für Technologie KIT existieren mit dem Collegium Musicum ein studentisches Sinfonieorchester und der Universitätschor. Dem KIT angegliedert sind das Sinfonie- und das Kammerorchester am KIT. Zwei Gymnasien bieten Musikzüge beziehungsweise ein Musikprofil an: das Bismarck- und das Helmholtz-Gymnasium.
Musikbezogene Einrichtungen
Das Studio Karlsruhe des SWR veranstaltet Konzerte in enger Kooperation mit Künstlern und Ensembles der Region. Die Musikabteilung der Badischen Landesbibliothek beherbergt eine Musikaliensammlung mit rund 200 mittelalterlichen und 1.300 Musikhandschriften vorwiegend des 18. Jahrhunderts. Seit 1996 befindet sich das Max-Reger-Institut in Karlsruhe.